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Tacheles statt Budenzauber – HR-Expertin Anke Wolf im Interview

HR Expertin Anke Wolf

Wertschätzung – Peng! Transparenz – Peng! Und Reaktionsschnelligkeit – Peng! Das sind nur drei Grundvoraussetzungen, die bei der internen Kommunikation (IK) wichtig sind. Leider haben viele Verantwortliche diese drei Warnschüsse immer noch nicht vernommen und wundern sich, wenn IK-Maßnahmen gegen die Wand fahren. Woran das liegen könnte, erläutert die international renommierte HR-Expertin Anke Wolf.

 

Frau Wolf, woran erkennt man, dass die interne Kommunikation (IK) in einem Unternehmen gut funktioniert?

Wenn sie von den Mitarbeitenden wahrgenommen wird sowie verständlich ist und die vermittelten Informationen für den Arbeitsalltag relevant und umsetzbar sind. Wenn Mitarbeitende Newsletter oder Mitarbeiterzeitungen allerdings nicht lesen, weil sie zu beschäftigt sind, dann haben diese Medien offensichtlich zu wenig konkreten Informationsgehalt. Gute interne Kommunikation initiiert Gespräche und auch Rückfragen an die Unternehmensführung, weil sie Interesse weckt.

Home-Office, Video-Konferenzen, Remote Work – die Pandemie hat die Präsenzkultur deutscher Unternehmen nachhaltig verändert. Wie wirkt sich das auf die IK aus?

Die Präsenzmedien fallen weg, also zum Beispiel Town Halls, aber auch das Weihnachtsfest, das ich auf jeden Fall auch als Medium der internen Kommunikation bezeichne. Deshalb stehen seit Beginn der Pandemie die digitalen Kommunikationsmedien im Mittelpunkt.

Werden diese richtig eingesetzt?

Nicht alle Unternehmen nutzen die vollen Möglichkeiten dieser Medien. Ich sehe noch häufig die Klassiker in Gebrauch wie den Newsletter oder vielleicht auch einmal eine Videobotschaft vom CEO. Das reicht aber nicht. Digitale Kommunikationsmedien müssen in Zeiten von Homeoffice den Wegfall der zweiseitigen Kommunikation ausgleichen, also die Gespräche, die sich auf dem Flur ergeben oder den Besuch der Geschäftsführung in der Niederlassung.

Können digitale Medien die Präsenzkultur ersetzen, Stichwort Flurfunk?

Die Präsenzkultur können digitale Medien nicht vollständig ersetzen. Es gibt aber viele Möglichkeiten, auch digital ins Gespräch zu kommen. Mit digitalen Livemedien ist es zum Beispiel möglich, eine Town Hall über Videotelefonie durchzuführen, Mitarbeitende können hierbei Fragen stellen. Ein „Besuch“ kann auch digital durchgeführt werden. Die Interaktion muss aufrecht erhalten bleiben und nicht nur Rezeption von Information praktiziert werden. Das ist nicht dasselbe wie Flurfunk, aber Mitarbeitende können ja auch weiterhin miteinander telefonieren oder sich Chatnachrichten schreiben. Viele Unternehmen sind mittlerweile auf ein hybrides Modell umgestiegen. Mitarbeitende haben also die Chance, sich im Büro zu treffen und sich analog zu unterhalten.

Die Corona-Krise hat uns alle ohne Vorwarnung getroffen und die Interne Kommunikation sozusagen zur Transformation gezwungen. Wie kann die IK die Krise als Chance nutzen, und welche Beispiele würden Sie in diesem Zusammenhang erwähnen?

Die interne Kommunikation kann zur Neuposition des Unternehmens als attraktiver Arbeitgeber beitragen. In der Pandemie hat sich gezeigt, dass Mitarbeitende sehr genau hinschauen, ob und wie sich das Unternehmen um sie kümmert.

Zum Beispiel?

Sind die Führungskräfte ansprechbar, wird Unterstützung für die Doppelbelastung durch Quarantäne der Schulkinder und Arbeit angeboten, informiert der Arbeitgeber regelmäßig über aktuelle Regelungen und Angebote? Die IK kann hier durch unkomplizierte und mitarbeiternahe Kommunikationsangebote in Zusammenarbeit mit den Fachabteilungen, wie zum Beispiel der Personalabteilung, maßgeblich zur positiven Wahrnehmung des Unternehmens beitragen.

Und wenn das in die Hose geht?

Das ist dann sehr schlecht. Denn eine nicht zu unterschätzende Anzahl von Mitarbeitenden denkt aufgrund der negativen Erfahrungen während der Pandemie über einen Arbeitgeberwechsel nach. Der Arbeitsmarkt hat sich mittlerweile gut erholt. Einige Unternehmen werden sich möglichweise wundern, wer sie in den nächsten Monaten verlassen wird.


Kommen wir zu möglichen Lösungen. In Zeiten von mobiler Kommunikation und in Echtzeit ist in der IK vieles möglich: motivierende Nachrichten vom CEO auf Social-Collaboration-Plattformen, Feedbackmöglichkeiten der Belegschaft, Pull- anstelle Push-Information ... Was beobachten Sie hier als HR-Expertin in der Praxis? Viel Gelbes vom Ei oder Budenzauber?

Das hängt vom digitalen Reifegrad des Unternehmens ab. Oder einfach gesagt, je hipper die Belegschaft, desto mehr digitale Zauberei ist möglich. Es bringt nichts, wenn die Mitarbeitenden die Tools nicht bedienen können. Wer technisch versierter ist und auch privat moderne Kommunikationsmedien benutzt, der hat diese Hürde nicht. Ich wundere mich immer, wenn die Mitarbeitenden erst zehn Minuten nach Meetingbeginn in der Videokonferenz erscheinen und zur Begründung angeben, dass sie erst die App runterladen mussten.

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Was bedeutet das im Umkehrschluss?

Das zeigt, dass die Mitarbeitenden nicht gewöhnt sind, mit Technik umzugehen. Dann hätten sie nämlich gewusst, dass man diese vor Gebrauch erst einrichten und testen muss. Es ist aber die Aufgabe des Unternehmens, die Mitarbeitenden digital aufzuschlauen. Das sollte man nicht dem Einzelnen überlassen, sondern Trainingsangebote machen und dafür sorgen, dass die IT-Ausstattung den Anforderungen der digitalen Kommunikation genügt. Es gibt ja leider Unternehmen, die haben ihren Mitarbeitenden immer noch keine Computerkamera zur Verfügung gestellt.


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Unabhängig von technischen Hürden: Was sind Ihrer Erfahrung nach die wichtigsten Medien der IK?

Diejenigen Medien, die Interaktion ermöglichen und keine Einbahnkommunikation sind. Ich halte interaktive Mitarbeitermeetings für besonders wertvoll. Hier können konkret Fragen gestellt werden, die vor dem Meeting anonym gesammelt werden können. Außerdem sollte IK auch Beiträge von Mitarbeitern beinhalten. Das können Erfahrungsberichte sein oder auch persönliche Meinungen zu aktuellen Themen. Interne Kommunikation wird ja auch gerne Mitarbeiterkommunikation genannt, dann sollten die Mitarbeitenden auch dort mitkommunizieren.

Kommunikation wird immer schneller, flexibler und digitaler: Welche Berechtigung haben klassische Tools wie beispielsweise die Mitarbeiterzeitung heute noch?

Es ist weiterhin richtig, unterschiedliche Kommunikationskanäle anzubieten. Bei einer altersmäßig heterogenen Belegschaft wird nicht allen der Zugang zu digitalen Medien leichtfallen. Eine redaktionell aufgearbeitete Mitarbeiterzeitung, egal ob digital oder analog, ist aber natürlich immer mindestens von gestern. In sich schnell drehenden Zusammenhängen passt dieses Medium nicht, um aktuelle Informationen zu vermitteln.

Heißt das so gesehen, dass Print in die Tonne gehört?

Ich muss gestehen, dass ich eine schöne analoge Mitarbeiterzeitung schätze, auch weil sie einen haptischen Eindruck hinterlässt, wenn sie auf hochwertigem Papier gedruckt ist. Besondere Ereignisse, wie zum Beispiel Unternehmensjubiläen, verdienen meiner Meinung nach deshalb eine gedruckte Mitarbeiterzeitung, die man sich nach dem Lesen ins Regal stellen kann. Da geht es um Wertigkeit und Bleibendes. Ich bin allerdings auch kein Digital Native.
 

Sie sprechen regelmäßig mit den Chefetagen über aktuelle Themen aus dem Arbeitsalltag von Personalern, Kommunikatoren und Führungskräften. Welche Rolle spielt dabei die IK?

Aus meiner Erfahrung wird sie immer wichtiger beziehungsweise immer ernster genommen. Das liegt daran, dass die meisten Unternehmen sich in dem immer wieder zitierten ständigen Wandel befinden. Entscheider wissen heute, dass zum guten Veränderungsmanagement auch eine gute Kommunikation gehört. Auch die Tatsache, dass Mitarbeitende heute auch öffentlich Führungsentscheidungen über Social Media in Frage stellen, führt dazu, dass sich die Unternehmen dazu entscheiden, proaktiv intern zu kommunizieren, anstelle sich dann im Nachhinein rechtfertigen zu müssen.
 

Wie kommuniziert ein Unternehmen denn richtig im ständigen Wandel?

Manche Unternehmen haben noch nicht verstanden, dass gute Kommunikation Wiederholung bedeutet. Davon auszugehen, dass sozusagen bereits alles gesagt ist, in einer Informationskampagne alle Argumente kommuniziert worden sind, ist nicht zielführend. Kernbotschaften müssen wiederholt werden, auf unterschiedlichen Kanälen und natürlich konsistent. Hier ist eine gute IK eine hervorragende Stütze und ist Teil des strategischen Führungsinstrumentariums.

Welche Fehler beobachten Sie, wenn Verantwortliche die IK nicht als strategisches Führungsinstrument begreifen?

Früher hat man gesagt: Wer schreibt, der bleibt. So ist das auch mit der internen Kommunikation. Unternehmen können die Meinungsbildung in der Firma durch gute Kommunikation beeinflussen. Ich höre leider häufig noch, „das können wir im Unternehmen noch nicht kommunizieren, weil es noch zu viele Unwägbarkeiten gibt“.
 

Das höre ich auch öfter, wenn es um Themen für Medien der IK geht. Was sind Ihrer Erfahrung nach die Ursachen dafür?

Man will dann die Mitarbeitenden schützen oder hält sie im schlimmsten Fall für nicht klug genug zu verstehen, dass sich Sachverhalte in einem Veränderungsprozess, zum Beispiel in einer Fusion zweier Unternehmen, noch verändern können.
 

Die Folge?

Dann wird lieber oberflächlich kommuniziert, dass alles zukünftig super sein wird, ohne auf Details in den aktuellen Schwierigkeiten einzugehen. Das verunsichert die Mitarbeitenden, die ja nicht im luftleeren Raum existieren, sondern meistens wissen, um was es geht. Da wünsche ich mir eine durchdachtere, transparentere Kommunikation, die die Mitarbeitenden auf dem Weg der Veränderung ernst nimmt und einbindet.
 

Wird virtuelles Kommunizieren und Führen zunehmend zu einem wichtigen Management-Skill? Und wenn ja, welchen Aufholbedarf gibt es hier in deutschen Chefetagen?

Dass es speziell in Deutschland einen Aufholbedarf gibt, würde ich nicht sagen. Es hängt von den jeweiligen Erfahrungen vor der Pandemie ab. Es gibt eine größere Anzahl von Unternehmen, die auch schon vorher zum Beispiel in einem internationalen Kontext gearbeitet haben und deshalb das Arbeiten in virtuellen Teams beziehungsweise virtuelles Führen kennen. Diese mussten sich in der Pandemie nicht stark umstellen und konnten ihre Führungsrituale in virtuellen Teams nun auch im lokalen Homeoffice anwenden. Wer diesen Vorsprung nicht hatte, musste sich sehr umstellen. Mal schnell ins Büro schauen, ob auch wirklich gearbeitet wird oder in Vorbeigehen einen neuen Auftrag vergeben, funktioniert virtuell nicht.
 

Was wollen Sie damit sagen?

Das virtuelle Arbeiten erfordert einen anderen Führungsstil. Wer seine Führungsrolle über Kontrolle definiert, wird auch ohne Homeoffice mittelfristig ein Führungsproblem entwickeln. Denn junge Mitarbeitende haben eine ganz andere Vorstellung von guter Führung. Ich höre von Führungskräften hin und wieder, dass es ihnen schwer fällt, virtuell zu führen. Da werden dann seitenweise E-Mails ans Team versenden, um alle Mitarbeitende informiert zu halten. Das liest nur leider keiner.

Was sollten Verantwortliche also besser machen?

Virtuelle Teamkommunikation geht doch ganz anders: Virtuelle Teammeetings müssen interaktiv geplant und durchgeführt werden, am besten noch mit kollaborativen Moderationsmedien, um die Aufmerksamkeit der Teilnehmenden aufrecht zu halten. Das kann man alles lernen. Nach einer so langen Zeit der Pandemie erwarte ich hier Lern- und Anpassungsbereitschaft von den Führungskräften.

Verantwortliche der IK haben auch eine Filterfunktion. Sie sind in gewisser Weise die Membran zwischen innen und außen. Wie schafft man hier den Spagat, wenn alle Welt für „User Generated Content“ plädiert? Anders gefragt: Welchen Stellenwert hat das Kuratieren von Inhalten?

Kuratiert bedeutet ja überprüft und in den Zusammenhang gebracht. Das ist eine wichtige Funktion der internen Kommunikation, um eine Vorgeschichte und einen Ausblick in die Zukunft bezüglich der aktuellen Geschehnisse im Unternehmen darzustellen.

Das Gegenteil wäre ja dann User Generated Content. Was halten Sie davon?

User Generated Content hat seine Berechtigung, ist aber zumeist aus einer sehr persönlichen Perspektive formuliert und bildet extreme Ausschnitte ab. Die interne Kommunikation tut also gut daran, kuratiert über Themen zu berichten wie über das Thema Mitarbeiterzufriedenheit im Unternehmen. Das ist ein sehr emotionales Thema, welches durch individuelle Erfahrung schnell verzerrt und auf Arbeitergeberbewertungsportalen zum Teil sehr persönlich dargestellt wird.
 

Es bedarf also eines Korrektivs?

Lassen Sie es mich so formulieren: Würde diesem Bewertungsportal keine ausgeglichene Darstellung durch das Unternehmen, zum Beispiel durch eine Kommunikation der Ergebnisse der jährlichen Mitarbeiterbefragung, gegenüberstehen, würde das Unternehmen hier eine große Chance auf Transparenz verpassen. Allerdings darf kuratiert nicht geschönt bedeuten. Ich erwarte von einer guten IK, dass sie alle Aspekte kommuniziert und nicht nur diejenigen, die gerade gewünscht sind. Ich hatte zum Beispiel einmal einen Kunden, der wollte erst einmal die Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung abwarten und dann entscheiden, ob und was kommuniziert wird. Das ist eindeutig ein falsches Verständnis von kuratiert.

Gerne wird von authentischer Kommunikation gesprochen, die zu den Werten des Unternehmens passt. Was läuft hier unter anderem schief?

Ein Problem entsteht, wenn die kommunizierten Unternehmenswerte nicht der gelebten Unternehmensrealität entsprechen. Das ist leider immer wieder der Fall. Der aufwändig entwickelte Wertekanon ist dann eher eine Wunschäußerung, als dass er authentisch ist.
 

Was sollte das Unternehmen stattdessen tun?

Was wirklich zählt, ist das, was die Mitarbeitenden in der täglichen Interaktion mit den Führungskräften erleben; nicht das, was auf der Webseite steht. Was also ist hier eine authentische Kommunikation? Die IK muss das abbilden, was tatsächlich passiert oder zumindest klar kommunizieren, hier sind wir und dort wollen wir hin. Mitarbeitende sind sehr wohl in der Lage, zwischen einem Werbeslogan und der Realität zu unterscheiden.

 

Anke Wolf HR-Expertin
 


Wo sehen Sie weitere Hindernisse?

Authentische Kommunikation hat für mich auch noch einen zweiten Pferdefuß: Auch wenn Ehrlichkeit und Transparenz wichtige Unternehmenswerte sind, darf natürlich nicht der rote Faden in der internen Kommunikation verloren gehen. Kernbotschaften müssen auch schlechte Zeiten überstehen können. Ich sehe häufiger vor allem im mittleren Management, dass Führungskräfte im wahrsten Sinne aus ihrer Rolle fallen und gerne „einfach mal sagen wollen, wie die Situation wirklich ist“. Gemeint ist damit, dass sie gerne ihrem persönlichen Frust Luft machen würden. Das ist kontraproduktiv. Sie vergessen dabei, dass sie eine Funktion im Unternehmen haben und diese beinhaltet unter anderem, ihr Team zum Beispiel in einem Veränderungsprozess zu motivieren und bei der Stange zu halten. Ihre persönlichen Befindlichkeiten stehen hier nicht im Vordergrund. Wenn die Führungskraft Schwierigkeiten mit Managemententscheidungen hat, sollte sie das mit ihrer eigenen Führungskraft klären.

Und was läuft richtig gut, gerne mit einem kurzen Beispiel dazu?

Richtig wäre es, wenn die interne Kommunikation sich an die propagierten Unternehmenswerte hält und entsprechend kommuniziert. Zum Beispiel finde ich es nicht nachvollziehbar, wenn ein Unternehmen sich als divers positioniert, aber immer nur von Mitarbeitern spricht und sich nicht die Mühe macht auch Mitarbeiterinnen zu sagen. Das ist ein überschaubarer Mehraufwand.

Womit wir beim Thema Gender und Diversität wären ...

Ja. Oder wenn in den Broschüren weiterhin die Führungskräfte weiß und männlich sind. Gerade die jungen Mitarbeitenden sind bei diesem Thema sehr sensibel, auch wenn die älteren sagen, ich weiß ja, dass alle Frauen und Männer mit Mitarbeiter gemeint sind. Diese Diskussionen führe ich häufig, weil ich ja auch beim Thema Diversität berate. In einem Workshop mit einem Kunden kam einmal die gute Idee eines Mitarbeiters, in der Unternehmensbroschüre eine Person in einem Rollstuhl abzubilden. Das würde doch zeigen, dass auch Mitarbeitende mit körperlichen Einschränkungen willkommen sind. Ich bin gespannt, ob dieser Vorschlag umgesetzt wird. Unternehmen rücken ja immer mehr davon ab, Models für ihre Broschüren zu buchen und lichten viel lieber ihre Mitarbeitenden ab. Das finde ich gut. Als potenzielle Bewerberin will ich doch sehen, wie die Menschen in dem Unternehmen aussehen.

In vielen Unternehmen gibt es sogenannte White Collar und Blue Collar. Wie findet man in der Ansprache die richtige Balance?

Es ist grundsätzlich immens wichtig, dass die Rezipienten den Inhalt der Kommunikation auf ihren Arbeitsalltag übertragen können. Da lohnt es sich nicht nur zwischen Produktion und Denkarbeitern zu unterscheiden. Auch ein Vertrieb kann eine andere Sicht der Dinge haben als eine interne Funktion wie zum Beispiel die Buchhaltung. Nichts ist schlimmer als eine Nachricht, die die Zielgruppe als für sie irrelevant ansieht. Beispiele aus den einzelnen Unternehmensbereichen sind deshalb eine gute Methode, um Themen passgenau zu vermitteln. Genauso wichtig ist der Verzicht auf interne Abkürzungen und Betitelungen. Diese sind zumeist auch schon in der Nachbarabteilung nicht mehr geläufig.

Die Praxis zeigt, dass Beiträge in Unternehmensmedien über Mitarbeiter wie Interviews oder Portraits – etwa in einem Nachhaltigkeitsbericht – enorm hohe Zugriffe erzielen. Auch und vor allem durch die Belegschaft dieser Unternehmen. Worauf ist dies zurückzuführen?

Um einen Menschen Vertrauen schenken zu können, möchte ich die Person besser kennenlernen. Es geht letztendlich darum, eine Führungskraft als ganzen Menschen und nicht nur als Führungsorgan zu sehen. Durch persönliche Stories werden Themen verständlicher und interessanter. Die ganze Influencerszene lebt ja von diesem Effekt. Auch das Thema Ähnlichkeit ist nicht zu unterschätzen. Wir mögen Menschen eher, wenn sie uns ähnlich sind. Menschen, die wir mögen, nehmen wir eher als Vorbild.
 

Und was bedeutet das für Interne Kommunikation?

Wenn also eine Führungskraft in einem Portrait davon berichtet, wie sie am Wochenende mit ihren zwei Kindern im Wald Müll eingesammelt hat, passiert also – sehr vereinfacht dargestellt – gleich folgendes: Wir nehmen die Führungskraft als Mensch mit Privatleben war, erfahren also mehr über sie. Das stillt unsere Neugierde. Wir stellen fest, dass diese Führungskraft genauso wie man selbst Kinder hat, und das macht sie aufgrund dieses Ähnlichkeitsmerkmals sympathisch. Was ist so also wahrscheinlicher, dass ich das Umweltengagement dieser Führungskraft deshalb nachahmenswert finde.

Künftig wird es voraussichtlich noch andere technische Möglichkeiten für die IK geben: Ein wichtiges Zukunftsthema der Kommunikation ist beispielsweise die künstliche Intelligenz. Wo geht die Entwicklung Ihrer Meinung nach hin?

Intelligente Chatbots werden in der Mitarbeiterkommunikation ja zum Teil schon angewendet, nämlich dort, wo Standardfragen zu beantworten sind, zum Beispiel in der Abrechnung. Wie Sie ja sehen, bin ich sehr dafür, dass Mitarbeitende aktiver Teil der internen Kommunikation sind. Je mehr Kommunikation der Mitarbeitenden aber kanalisiert werden muss, desto mehr wird es auch KI in der IK geben. Die analoge Steuerung und Beantwortung sind ja ab einem bestimmten Punkt nicht mehr zu leisten. Man kommt hier natürlich direkt in die Datenschutz- und Mitbestimmungsproblematik, da hierfür ja Daten gespeichert, ausgelesen und weiterverarbeitet werden. Ich denke aber, dass KI ein gutes Tool ist, um interne Kommunikation schneller zu machen.
 

Mit anderen Worten?

Wenn man innerhalb von fünf Minuten einen Flug im Internet buchen kann, ist es nicht nachvollziehbar, warum die Beantwortung eine Mitarbeiterfrage, solange sie Standardthemen betrifft, längere Zeit benötigt.

Vielen Dank für das Interview!

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Zur Person: Anke Wolf

Nach ihrem Psychologiestudium an der Universität zu Köln hat Anke Wolf ihre Karriere als HR-Profi in der Konsumgüterbranche begonnen. Es folgten weitere Projekt- und Führungsaufgaben im HR in multinationalen Unternehmen in der Automobil-, Logistik- und IT-Branche. 2016 – nach 15 abwechslungsreichen und spannenden Jahren im Konzernleben – hat sie ihr eigenes Coaching- und HR-Beratungsunternehmen gegründet. Anke Wolf ist zertifizierter Business- und Teamcoach (Barefoot LTD und Chester University) und Expertin für Führung und Kommunikation in Re-Organisationen, agiles Arbeiten, und Diversity. Weil ihr Diversität in Unternehmen am Herzen liegt, unterstützt sie zudem arbeiterkind.de als Mentorin für junge Talente aus nicht akademischen Familien.

Kontakt: www.ankewolf.net