von Arne Büdts | 08.11.2018 | 12 Minuten Lesezeit
Der Geschäftsbericht ist wohl die Publikation mit der längsten Produktionszeit – entsprechend stolz sind wir, wenn das fertige Produkt endlich auf dem Schreibtisch liegt. Doch egal wie zufrieden alle Beteiligten sind, egal wieviel Preise man gewinnen konnte, irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem der Bericht (zusammen mit den anderen, die wir jedes Jahr erstellen) seinen letzten Gang ins Archiv antritt und dort Staub ansetzt. Jedes Mal komme ich dabei an unserer Nummer 1 vorbei: Unserem ersten realisierten Geschäftsbericht für die RAG aus dem Jahr 1975. Als wir vor rund 44 Jahren diesen Geschäftsbericht konzipierten, sah die Welt noch anders aus. Wir hantierten mit Druckfahnen, Kleber, Dias und Letraset Bögen – Computer und E-Mails lagen noch in weiter Ferne und selbst das Faxgerät wurde erst sechs Jahre später eingeführt. Aber nicht nur die Arbeitsbedingungen waren andere, auch das wirtschaftliche Umfeld und damit die Anforderungen an einen Geschäftsbericht. Wir wollen nicht sagen, dass früher alles besser war, es war aber zumindest überschaubarer. Geschäftsberichte dokumentierten die finanzielle Performance eines Unternehmens und richteten sich an eine klar definierte und eng umrissene Zielgruppe: Investoren und Anteilseigner.
Das hat sich im Laufe der Zeit grundlegend geändert und damit auch die Rolle des Geschäftsberichts. Es reicht nicht mehr, nur die finanziellen Eckdaten zu kommunizieren und durch bunte Bilder aufzuhübschen. Die Zielgruppe ist breiter geworden und zieht sich quer durch unsere Gesellschaft: NGOs und Aktivisten interessieren sich für Themen wie nachhaltige Entwicklung, ressourcenschonende Herstellungsweisen, Arbeitsplatzsicherheit und CO2-Emissionen, Investoren suchen lohnende Investments, Fachkräfte attraktive Arbeitgeber und Kleinanleger eine hohe Dividende. Ein guter Geschäftsbericht muss diese unterschiedlichen Infomationsbedürfnisse erfüllen und es zeichnet sich ab, dass das klassische Reporting hier an seine Grenzen stößt. Deswegen stellen immer mehr Unternehmen auf eine integrierte Berichterstattung um, also die vollständige Integration der Nachhaltigkeitsberichterstattung in den testierten Lagebericht. Diese Art der Berichterstattung ist zwar wesentlich aufwendiger, aber auch transparenter und glaubwürdiger.
Auch dies hat sich in den letzten 45 Jahren grundlegend geändert: Früher mussten Glaubwürdigkeit und verantwortungsvolles Handeln nicht kommuniziert oder belegt werden, sie wurden vorausgesetzt. Eine Ausbildung bei der Deutschen Bank galt als Grundvoraussetzung dafür „dass aus dem Jungen/dem Mädchen mal was wird“, und Volkswagen baute mit dem Golf nicht nur das Lieblingsauto der Deutschen, sondern war auch eine Triebfeder des Wirtschaftswunders, das Millionen von Deutschen Wohlstand bescherte. Dieses Grundvertrauen der Öffentlichkeit in das redliche Handeln seiner Unternehmen ist verloren gegangen. Die Finanzkrise und der Dieselskandal haben dem Ansehen weiter Teile der Wirtschaft großen Schaden zugefügt, so dass Globalisierung und wirtschaftliches Handeln heutzutage fast schon unter Generalverdacht stehen. Der Riss zwischen „denen da oben“ und „den anderen“ wird immer größer. Das lässt sich auch daran ablesen, dass die Vorstandsvergütung auf Platz 4 im Ranking der meist gelesensten Bestandteile eines Geschäftsberichts rangiert. Wenn man bedenkt, dass der Vorstandsvorsitzende streng genommen Chefredakteur und Herausgeber desselben ist, spielt Glaubwürdigkeit in der Kommunikation eine eminent wichtige Rolle.
… und Verbraucher noch Vertrauen in Markt und Marken hatten, entstand dieser Reemtsma Geschäftsbericht (1972 bis 2000) in Tabakpflanzeneinband (ein Frühwerk von Peter Schmidt).
Die mittlere Beschäftigungszeit mit einem gedruckten Geschäftsbericht beträgt nur knapp drei Minuten. In dieser Zeit kann ein erwachsener Mensch etwa 6.000 Zeichen lesen, was einer konventionell gelayouteten Doppelseite ohne Tabellen und Diagrammen entspricht. Daraus kann man getrost schlussfolgern, dass 99 Prozent eines Geschäftsberichtes nie gelesen werden. Die textliche beziehungsweise inhaltliche Komponente trägt also nur einen Bruchteil zum Gesamteindruck der Publikation bei. Viel schneller verarbeiten wir dagegen sinnliche Eindrücke. Ob etwas authentisch oder gekünstelt daherkommt wird sofort klar, auch wenn man nicht immer weiß warum. Wir Kölner sagen in solchen Situationen: „Dat han ich em Jeföhl“. Präziser könnte man vielleicht formulieren, dass dieser Eindruck entsteht, wenn die gewünschte Aussage nicht mit ihrer visuellen Erscheinungsform im Einklang steht. Der Nachhaltigkeitsbericht auf unzertifiziertem super glossy Papier ist ein klischeehaftes Beispiel dafür.
Der Mensch ist also ein sinnliches Lebewesen: Er will anfassen und anschauen, fühlen und riechen. Diese Sinnesurteile drängen sich ihm sofort auf. Eine rationale Bewertung würde für das Gehirn viel zu viel Arbeit bedeuten, und weil der Mensch im Laufe der Evolution zahlreiche Strategien entwickelt hat, um Arbeit zu vermeiden, vertraut er lieber seinem Gefühl. Wer genau wissen will, wie und warum das so ist, kann hier weiterlesen. Genau das ist übrigens der Grund warum die meisten Unternehmen Agenturen wie uns beauftragen, ihre Berichte zu gestalten. Nicht nur, damit der CEO etwas Schönes auf dem Schreibtisch liegen hat oder der Leiter Unternehmenskommunikation seiner Frau sagen kann „Kuck mal, darum kam ich die letzten Wochen so spät nach Hause“, sondern weil Gestaltung viel mehr ist als eine hübsche Hülle. Sie weckt ein Gefühl, gegen das sich der Betrachter nicht wehren kann beziehungsweise will. Es muss nicht rational begründet, erklärt oder evaluiert werden, es ist einfach da, einfach so. Und dieses Gefühl entscheidet schlussendlich darüber, wie ich als Unternehmen wahrgenommen werde und ob meine Aussagen glaubhaft sind.
Wer jetzt denkt „für Gestaltung habe ich doch mein CD-Manual“, denkt zu kurz. Der konsequente Einsatz der in den Neunzigern definierten Hausschrift Frutiger (Roman, Italic, Bold) in Kombination mit der Hausfarbe Pantone Dark Blue (in 20 Prozent Abstufungen) garantieren zwar ein durchgängiges Erscheinungsbild aber auch visuelle Monotonie oder böse gesagt: Langeweile. Bei manchen Publikationen, besonders bei Magazinen, die gern in Geschäftsberichten eingesetzt werden, muss man sein Erscheinungsbild schon etwas interpretieren oder der Markenabteilung erst nach Drucklegung die Layouts zeigen (obwohl: besser nicht). Falls Sie sich jetzt fragen, ob Ihr Unternehmen noch zeitgemäß daherkommt, hier die Benchmark für 2017 (Töpfchen und Kröpfchen)
Erschwerend kommt hinzu, dass viele Facetten der Gestaltung nicht in einem Manual behandelt werden. Wenn wir einen Bericht zur Hand nehmen, fängt unwillkürlich die sensorische Bewertung an: Wie schwer und kompakt ist der Bericht? Wie fühlt sich das Papier an? Welche Emotionen weckt seine Farbwelt? Seine Typografie? Wie riecht er? Wie lässt er sich aufschlagen beziehungsweise blättern? Die Antwort auf solche Fragen findet man gewöhnlich in keinem Corporate Design Manual. Was also tun, wenn man nicht genau weiß, was man tun soll? Man fängt einfach mal an.
Bevor man anfängt ist es hilfreich, ein Motto zu definieren, sprich, was soll in welcher Tonalität vorrangig kommuniziert werden. Das ist schwieriger als man meint und in den meisten Fällen fängt hier schon das Unheil an: Wer definiert es? Wie ehrlich darf es sein? Und wie formuliert man es möglichst eingängig (und funktioniert es auch in einer anderen Sprache)? Ein Motto zu definieren verlangt Mut und wer den nicht hat, der fragt halt seine Kollegen. Doch nicht immer zeitigt die Weisheit der Masse auch gute Entscheidungen. Im Gegenteil, je mehr Leute ihren Senf dazugeben, desto seichter wird es. Was dabei dann rauskommt sind Sachen wie: „Engineering. Tomorrow. Together“ (ThyssenKrupp) oder „Zukunft. Sicher. Machen. Gestern, heute und morgen“ (RWE).
Viel schlimmer als solche Allgemeinplätze ist aber, wenn das Motto offensichtlich nicht zum Unternehmen passt. Die VW-Dieselkunden, die Opfer einer Betrugssoftware des Konzerns wurden, sind vom Motto des Geschäftsberichts „Den Wandel gemeinsam gestalten“ sicherlich nicht so begeistert. Besser hätte man in diesem Fall auf ein Motto verzichtet (wie es 17 der DAX 30 Berichte tun).
Diese Negativbeispiele sollen nicht abschreckend wirken, denn die Definition eines tragfähigen Mottos ist gut investierte Zeit. Es hilft bei der Gestaltung und Konzeption, weil es die inhaltliche Ausrichtung und das visuelle Erscheinungsbild des Berichts vorgibt. Mein persönliches Best Practice ist aus dem Jahr 2009 von der Firma Wienerberger mit dem Motto „Diesen Geschäftsbericht hätten wir uns gerne gespart“, besser und ehrlicher kann man ein verkorkstes Geschäftsjahr nicht kommunizieren.
Für beide Unternehmen war das jeweilige Geschäftsjahr wohl gleich miserabel. Wienerberger litt 2009 an den Folgen der Rezession auf dem Bau, Volkswagen steckt noch immer im Dieselskandal fest. Also ähnliche Ausgangslage, aber unterschiedlich kommuniziert: VW verprellt mit Allgemeinplätzen noch den letzten wohlmeinenden Dieselkunden, Wienerberger hat den Mut ehrlich zu sagen, dass es ein Jahr zum Vergessen war.
Das Vorwort des Vorstands ist vielleicht das schwierigste Kapitel in einem Geschäftsbericht. Zum einen wird der wichtigste Mann im Unternehmen vorgestellt. Zum anderen handelt es sich um das meist gelesenste Kapitel eines Berichts mit der wohl höchsten Sichtbarkeit (sowohl seitens des CEOs als auch des Lesers) und gleichzeitig mit dem geringsten Spielraum für ausgefallene kreative Experimente. Die Zeiten der aufwendig fotografierten Vorstandsbilder auf Segelbooten und Wolkenkratzern ist ebenso lange schon passé, wie die Inszenierung des starken Mannes, der grade sein Ölportrait an die Wand des Vorstandsbüro hängt. Vor dem Hintergrund der schwelenden Neiddebatte ist es wichtiger geworden sympathisch und bescheiden rüberzukommen: Keine glamourösen Locations, keine dramatischen Posen oder schnittigen Perspektiven. Lesenswert in diesem Zusammenhang ist auch unser Interview mit Claudia Kempf.
Noch bodenständiger und volksnäher ist die Fotografie im Gespräch: Der CEO steht Rede und Antwort zum Verlauf des vergangenen Geschäftsjahrs. Ein gut geführtes, fotografiertes und gestaltetes Interview bringt Leben in die eher starre Formensprache des klassischen Vorstandsbriefs: Herausgestellte sinnvolle Zitate sorgen für visuelle Anker, eine lebendige Fotografie für persönliche Nähe. Ein schlecht gemachtes Interview ist jedoch schnell ein Grund zum Fremdschämen: Sich unwohl fühlende Männer in schlechtsitzenden Anzügen fuchteln wild mit ihren Händen herum und werfen sich Businessphrasen an den Kopf. Dann lieber gar kein Bild, wie beim Geschäftsbericht der Deutschen Bank – und zwar konsequent auf 444 Seiten kein einziges.
Für welches Szenario man sich auch entscheidet, am wichtigsten ist, dass jeder weiß, was auf ihn zukommt. Die Location, die Bildkomposition sowie Gesprächssituation (falls geplant) sollten unbedingt vorher als Scribble abgestimmt werden. Vorstandsmitglieder, die beim Fototermin nicht da sein können, sollten gedoubled werden, um die spätere Retusche zu erleichtern, denn nichts ist schlimmer als eine schlechte Computermontage. Hilfreich ist auch die direkte Auswahl der infrage kommenden Fotos auf einem Bildschirm am Set. So stellt man sicher, dass das Ergebnis auf uneingeschränkte Zustimmung stößt. Das Wichtigste zum Schluss: Engagieren sie einen guten Fotografen. Der kostet zwar viel Geld, er weiß aber auch, was er tut und organisiert so ein Shooting nicht zum ersten Mal. Besonders wenn die Mitglieder des Vorstands aus aller Herren Länder sich für die eine Sitzung im Jahr in Deutschland versammeln und nur ein Zeitfenster von 15 Minuten haben, wird es drunter und drüber gehen. In diesen Fällen muss einer einen kühlen Kopf bewahren und gute Bilder machen.
… hängt wohl noch im Schrank. Heutzutage ist es kaum vorstellbar ein Testimonialkonzept inklusive Vorstandsfotografie so abzubilden. Auf dem Höhepunkt der Dotcom Blase vor 18 Jahren hatte man weniger Berührungsängste.
Der Imageteil ist die Kür des Geschäftsberichts. Er ist an keine Regel gebunden, wird nicht testiert und es gibt keine Vorschrift, was er zu beinhalten und wie er am besten auszusehen hat. Seine einzige Aufgabe besteht darin, dem Unternehmen ein Gesicht zu geben und zwar in kreativer, spannender und möglichst einzigartiger Art und Weise. Gebunden ist er dabei nur an das Motto des Berichts und der Positionierung beziehungsweise der Markenwerte des jeweiligen Unternehmens. Die Gestaltung des Kürteils hat sich über die Jahre gewandelt: Reichte es früher noch, ein paar Bilder einzustreuen, die den drögen Zahlenteil etwas aufhübschten, wurden die Geschäftsberichte immer aufwendiger. Auf dem Höhepunkt dieser Entwicklung wusste man nicht mehr, was man wie aufklappen, rausschieben, freirubbeln musste, konnte, sollte und welcher Teil des Berichtes sich hinter all den Klappern, Schubern und Einsteckern verbarg. Die Zeiten dieser bombastischen Entwicklung ist größtenteils vorbei und hat sich zumindest bei den DAX 30 Berichten ins Gegenteil verkehrt. Trotzdem nutzen auch heute noch viele Unternehmen gerade aus dem M- und S-DAX den Geschäftsbericht als Marketinginstrument beziehungsweise als Imagepublikation. Die Art und Weise wie in diesen Berichten Geschichten rund um das Unternehmen erzählt werden, unterscheidet sich erheblich. Die Bilddoppelseite als Kapiteltrenner ist ebenso noch anzutreffen wie ein vorangestellter Imageteil mit den wichtigsten Milestones des vergangenen Jahres. Mehr dazu gibt es in unserer Analyse „Tell your Story“.
In letzter Zeit geht die Entwicklung allerdings weg von diesen Evergreens hin zu einem umfassenderen Ansatz der gemeinhin Storytelling genannt wird. Letztlich handelt es sich hierbei um eine Verschiebung der Perspektive. Im Mittelpunkt der Kommunikation steht nicht mehr die Frage, was das Unternehmen über sich, seine Aktivitäten, Produkte etc. erzählen will, sondern wie diese Informationen erzählt werden müssen. Dieser Ansatz ist zwar nicht neu, gewinnt in unserer Kommunikationsgesellschaft aber zunehmend an Relevanz. Wir alle werden heutzutage von Informationen derartig überschwemmt, dass Unternehmen mit klassischen Kommunikationsmaßnahmen nicht mehr durchdringen. Erfolg hat nur noch derjenige, der dem Rezipienten etwas bietet, dass für ihn selbst relevant ist, weil es ein Problem für ihn löst, ihm Spaß macht oder die Welt rettet (obwohl das eher selten der Fall ist). Kurz gesagt geht es darum, emotionale Anknüpfungspunkte zu schaffen.
Deshalb stellt Storytelling ganz andere Anforderungen an das Design und die redaktionelle Konzeption. Früher hat man eine Pressemitteilung umgeschrieben und ein Bild dazugestellt, heutzutage möchte der Leser unterhalten werden und zwar kurzweilig mit für ihn relevanten Informationen. Viele Unternehmen sind deswegen dazu übergegangen, in ihrem Geschäftsbericht ein Magazin zu integrieren (oder beizulegen). Es bietet die Möglichkeit, die Erwartungshaltung des Lesers nach Infotainment zu erfüllen und dabei nebenbei aufzuzeigen, wie gut doch das jeweilige Unternehmen aufgestellt ist und wie interessant seine Produkte und Problemlösungen sind. Das kann aber nur gelingen, wenn sowohl Gestaltung als auch Inhalt deutlich professionalisiert werden. Die Konkurrenz sind nicht mehr die Mitbewerber mit ihren Publikationen, sondern der Zeitungskiosk am Bahnhof. Nur ein Magazin, das diesen „Bahnhofskiosk-Test“ halbwegs besteht, hat auch die Chance die Leser überhaupt zu erreichen. Besteht es diesen Test nicht, sollte man sich Zeit und Mühe lieber sparen.
Noch ein Aspekt ist in diesem Zusammenhang nicht zu unterschätzen: Jedes Produkt muss beworben werden, auch ein Geschäftsbericht. Schließlich hat keiner – von Analysten vielleicht abgesehen – den jeweiligen Erscheinungstermin rot im Kalender markiert. Deswegen tut man gut daran, schon in der Entstehung das Storytelling für alle flankierenden Kanäle zu konzeptionieren und darauf aufbauend kanaloptimierten Content zu erstellen. Ein Fotoshooting, das nicht gleichzeitig ein kurzes Interview, Cinemagraphs und/oder Filmsequenzen mitproduziert, um durch gezielte Facebook- oder LinkedIn-Kampagnen Aufmerksamkeit für den Geschäftsbericht zu generieren, ist eine verpasste Gelegenheit, der man sehr wahrscheinlich nachtrauern wird, zumal sich dieses Material auch für den Online-Geschäftsbericht anbietet.
… aber wir nennen es erst seit ein paar Jahren so. Schon im Jahr 2000 hat IBM seine Leser mit toll erzählten und gestalteten Geschichten unterhalten, die auch 18 Jahre später noch immer zeitgemäß wirken (von den Klamotten vielleicht mal abgesehen).
Winston Churchill soll einmal gesagt haben „Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.“ Das ist natürlich in einem Geschäftsbericht nicht möglich, trotzdem wird die Wahrheit in Diagrammen, Tabellen und Grafiken manchmal eher versteckt als verständlich aufbereitet. Mit den richtigen Kniffs und Techniken können negative Entwicklung leicht in positive umgestaltet und deutliche Verluste als nicht signifikant dargestellt werden. Sich selbst und sein Unternehmen in ein möglichst positives Licht zu setzen ist natürlich legitim, allerdings sollte man dabei nicht flunkern, denn es ist wie im richtigen Leben – wird man erwischt, ist die Glaubwürdigkeit dahin.
Die aussagekräftige und übersichtliche (und damit gelungene) Darstellung von Zahlen in einem Geschäftsbericht nennt man Informationsdesign. Unter all den glitzernden und schillernden Designdisziplinen, für die Regeln dazu da sind, gebrochen zu werden, ist sie die strenge Oberlehrerin. Dabei ist die gute Aufbereitung von Zahlen keine Geheimwissenschaft, wenn man die Regeln kennt. Die wichtigsten sind:
Sorgen sie für Vergleichbarkeit: Zahlen werden erst dann aussagekräftig wenn man sie kontextualisiert und diese Einbettung in den richtigen Kontext sollte dem Betrachter so einfach wie möglich gemacht werden. Verwenden sie zum Beispiel eine einheitliche und durchgängige Skalierung für Balkendiagramme. Vermeiden Sie manipulierte Visualisierungen jeder Art, dazu gehören gekappte Balken (die andeuten, dass ein Wert weit außerhalb des Balkendiagramms liegt), beschnittene Axen (ein Hilfsmittel um besonders niedrige Werte mit besonders hohen zu vergleichen), oder solche die nicht bei null beginnen. Seien Sie konsistent im Aufbau ihrer Grafiken und Tabellen und sorgen sie dafür, dass farblich Codierungen gut unterscheidbar sind. Weiterhin gilt: Tabellen, Grafiken und Diagramme sind keine Designaccessoires, die ihr Aussehen von Jahr zu Jahr ändern. Haben Sie einmal eine handwerklich und optisch zufriedenstellende Lösung erzielt, dann bleiben Sie dabei.
Seien Sie übersichtlich: Verzichten sie auf optische Effekthaschereien: Dreidimensionale Grafiken, Schattenwürfe und eine piktografische Repräsentation von Werten mögen nett aussehen, sind aber schwer abzulesen. Das aktuelle Jahr sollte auf jeden Fall in irgendeiner Form hervorgehoben sein, das gleiche gilt auch für Summen oder Zwischensummen. Hilfreich ist auch die Anordnung der Tabellenspalten nach Leserichtung, so dass das aktuelle Jahr immer rechts steht. Für den Laien nur ein Detail, trotzdem sollte es unbedingt beachtet werden: Verwenden Sie bei Tabellen Ziffern mit fester Kegelbreite, die sauber untereinanderstehen.
Optimieren Sie ihre Informationsdichte: Die Interpretation der Zahlen in einem Geschäftsbericht ist ein mühsames Geschäft. Machen Sie es Ihrer professionellen Zielgruppe einfacher, indem sie die Informationsdichte erhöhen. Warum in Tabellen nicht das Delta zum Vorjahr angeben oder noch besser, es durch grafische Elemente visualisieren. Ebenso könnte man auffällige Werte in Diagrammen kurz textlich erklären und damit einordnen oder weisen sie bei Mehrjahresvergleichen Währungs- bzw. Inflationseffekte mit aus.
Wenn Sie diese Grundregeln beherzigen, machen Sie es Ihrer Leserschaft wesentlich leichter, die Zahlen in Ihrem Bericht zu kontextualisieren und damit sinnvoll zu vergleichen. Und wenn Sie immer noch mehr erfahren wollen, schauen Sie mal beim IBCS vorbei. Der International Business Communication Standard bietet viel Wissens- und Beachtenswertes zum Thema visuelle Repräsentation von Zahlen. Ein PDF kann man hier laden.
Für alle, die diesen Text bis hierhin gelesen haben, wird sich diese Frage nicht stellen. Wer knapp 20.000 Zeichen über Geschäftsberichte liest und damit rund 10 Minuten seiner Arbeits- oder sogar Freizeit investiert hat, scheint mehr als ein grundsätzliches Interesse daran zu haben. Für all jene, die standardmäßig zum Fazit eines Artikels runterscrollen (ich gehöre selbst dazu) hier meine Top 7 Gründe, warum ein Unternehmen einen professionellen Geschäftsbericht braucht:
Und wem diese Gründe nicht reichen, dem sei eine Weisheit meines Opas ans Herz gelegt. Der sagte immer: „Wat nix kost, dat ess och nix!“ Wie oft kaufen wir das billigste Produkt oder gehen den einfacheren Weg und ärgern uns nachher darüber. Geiz ist eben nicht geil. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass ein Unternehmen für einen guten Geschäftsbericht viel investieren muss, und dabei meine ich nicht nur Geld. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass allen Beteiligten dabei eine gehörige Portion Blut, Schweiß und Tränen abverlangt wird. Aber dafür hat man am Ende ein Produkt auf das jeder stolz sein kann, jedenfalls solange, bis es wieder im Archiv verschwindet.