Die CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) sorgt in der Wirtschaft für Diskussionen. Während Kritiker von bürokratischer Belastung sprechen, sehen andere Chancen die nachhaltige Transformation der Wirtschaft voranzubringen und Unternehmen krisenfest und zukunftsfähig zu machen.
Im Gespräch mit Nachhaltigkeitsberaterin Marion Sollbach beleuchten wir, wie Unternehmen, insbesondere KMUs, die Herausforderungen meistern und von der CSRD profitieren können.
„Die CSRD erfordert von Unternehmen eine völlig neue Denkweise in der Nachhaltigkeitsberichterstattung“, erklärt Marion Sollbach. Wir treffen die Nachhaltigkeitsexpertin in unserer Agentur in den Kölner Clouth-Werken. Trotz unserer vielfältigen Erfahrung mit verschiedenen Nachhaltigkeitsberichten für Kunden wie ARAG, die Oldenburgische Landesbank oder Flix haben die ständigen Veränderungen der CSRD auch bei uns viele Fragen aufgeworfen. Doch Marion mit ihrer über 20-jährigen Expertise in Sachen Nachhaltigkeit ist heute hier, um Licht ins Dunkel zu bringen.
Wer noch tiefer in das Thema eintauchen möchte, kann sich hier unser kostenloses Whitepaper herunterladen. Wir geben einen Überblick zur CSRD und Tipps für gute Nachhaltigkeitskommunikation.
Du bist seit über 20 Jahren im Bereich Nachhaltigkeit tätig. Wie hat sich die Nachhaltigkeitsberichterstattung in dieser Zeit entwickelt?
Marion: Für große börsennotierte Unternehmen hat sich der Rahmen zwar verengt, aber im Kern bleibt vieles gleich. Der wesentliche Wandel betrifft den Mittelstand. Unternehmen, die bisher aufgrund ihrer Größe weniger im Fokus standen, müssen sich nun intensiver mit Nachhaltigkeitsthemen auseinandersetzen. Dies ist eine notwendige Entwicklung, da diese Unternehmen einen erheblichen Einfluss auf die Gesamtwirtschaft haben.
Wie ist es um die Umsetzung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) in Deutschland bestellt?
Marion: In Deutschland gibt es noch Widerstände, aber die Umsetzung ist unausweichlich. Die CSRD ist eine EU-Vorgabe, die in allen Mitgliedsstaaten umgesetzt werden muss. Deutschland kann sich dem nicht entziehen, zumal viele andere Länder schon viel weiter sind. Voraussichtlich Ende des Jahres wird es einen neuen Kabinettsentwurf geben.
Wie unterscheidet sich die Haltung der deutschen Wirtschaft zur CSRD im Vergleich zu anderen EU-Ländern?
Marion: In Deutschland beobachten wir eine gewisse Zurückhaltung gegenüber der CSRD, die sich von der Haltung in anderen EU-Ländern unterscheidet. Ein Hauptproblem scheint zu sein, dass deutsche Unternehmen Schwierigkeiten mit der unternehmerischen Freiheit haben, die die CSRD bietet. Sie suchen oft nach klaren Standards, die eindeutig Ja oder Nein sagen, anstatt die Flexibilität zu nutzen, die ihnen die Richtlinie gibt.
Im Gegensatz dazu haben 20 EU-Mitgliedstaaten die CSRD bereits in nationales Recht umgesetzt. Deutschland hinkt hinterher, teilweise aufgrund politischer Verzögerungen. Diese Haltung spiegelt meiner Meinung nach die Beharrungskräfte wider, die ein Teil der Schwäche der deutschen Wirtschaft sind. Viele scheinen die Notwendigkeit einer Transformation nicht zu erkennen oder zu akzeptieren.
Welche externen Faktoren werden deiner Meinung nach das Thema Nachhaltigkeit im Unternehmen vorantreiben?
Marion Sollbach: Die Haupttreiber für Nachhaltigkeit in Unternehmen kommen aktuell aus dem Finanzsektor. Die CSRD ist im Kern ein Instrument der Sustainable Finance und zielt darauf ab, Investoren vor Anlagerisiken zu schützen. Banken und Versicherungen werden künftig bei der Kreditvergabe und bei Versicherungsleistungen verstärkt auf Nachhaltigkeitskennzahlen achten. Unternehmen, die ihre Nachhaltigkeitsrisiken nicht gut managen, müssen mit höheren Kreditkosten rechnen. Das ist der eigentliche Sinn und Zweck des Ganzen – nicht nur Transparenz zu schaffen, sondern auch ökonomische Vorteile für nachhaltig agierende Unternehmen zu generieren.
„Mein Rat an Unternehmen ist: Fangen Sie an, auch wenn die Daten nicht perfekt sind. Es ist besser, transparent über den Prozess und die Verbesserungen zu berichten, als gar nichts zu tun.“
Was sind die wichtigsten Schritte für KMUs bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung?
Marion Sollbach: Mein Rat an Unternehmen ist: Fangen Sie an, auch wenn die Daten nicht perfekt sind. Es ist besser, transparent über den Prozess und die Verbesserungen zu berichten, als gar nichts zu tun. Die CSRD und diese Standards bieten viele Freiheiten – nutzen Sie diese, um einen für Ihr Unternehmen passenden Ansatz zu entwickeln.
Wie stemmt man das personell?
Zunächst ist es wichtig, klare Verantwortlichkeiten zu schaffen. Ein gutes Team, das mit ausreichend Budget ausgestattet wird, ist die Basis. Ein vielversprechender Ansatz, gerade für kleinere Unternehmen kann sein, einen engagierten Nachwuchsmitarbeiter mit einer erfahrenen externen Beratung zu koppeln.
Die Umsetzung der CSRD in deutsches Recht und das Omnibus-Gesetz sind noch unklar. Welche „Basics“ braucht gutes Reporting auf jeden Fall?
Marion: An der doppelten Wesentlichkeitsanalyse und der Klimabilanz kommt man nicht vorbei. Das sind die beiden Grundvoraussetzungen, die ich auf jeden Fall empfehle zu machen. Für kleinere Unternehmen, die möglicherweise nicht unter die vollständige CSRD-Berichtspflicht fallen, rate ich zum VSME-Standard der EFRAG. Der VSME-Standard spiegelt wider, was Banken in Zukunft von Unternehmen wissen wollen. Er erfordert keine doppelte Wesentlichkeitsanalyse und hat eine Basic und eine Comprehensive Version, die sich im Datenumfang unterscheiden. Das Schöne am VSME ist, dass Unternehmen hier auch Aspekte wie Corporate Citizenship einbringen können, die in der regulären Nachhaltigkeitserklärung keinen Platz mehr haben.
Eine große Herausforderung ist der Umgang mit vielen Daten aus dem Unternehmen. Welche Rolle spielen hier KI-Tools und Reporting-Software?
Marion: Anbieter für Reporting-Software schießen gerade wie Pilze aus dem Boden und das zurecht. Viele Software-Lösungen haben natürlich auch integrierte KI-Funktionen. Solche Tools unterstützen bei der Datenerfassung, -analyse und sogar bei der Berichterstellung. Ein konkretes Beispiel: Ein Unternehmen gibt seinen Textileinkauf ein, und die Software berechnet daraus die CO2-Emissionen der Lieferkette. Diese Tools ermöglichen es, auch mit Schätzwerten zu arbeiten und diese im Laufe der Zeit durch präzisere Daten zu ersetzen.
„Die CSRD ist im Kern ein Instrument des Sustainable Finance und zielt darauf ab, Investoren vor Anlagerisiken zu schützen. Banken und Versicherungen werden künftig bei der Kreditvergabe und bei Versicherungsleistungen verstärkt auf Nachhaltigkeitskennzahlen achten“
Wie verändert die CSRD die Nachhaltigkeitskommunikation?
Marion: Die CSRD führt zu einer klaren Trennung zwischen der pflichtgemäßen Berichterstattung und der freiwilligen Kommunikation. Die Nachhaltigkeitserklärung wird sehr faktenorientiert. Für die zielgruppenspezifische Kommunikation, sei es für Mitarbeiter, Kunden oder Investoren, müssen Unternehmen eigenständige Strategien entwickeln. Nachhaltigkeitskommunikation findet dann nicht mehr im Bericht, sondern beispielsweise auf einer eigenen Website statt. Das gibt auch mehr Freiheit in der Kommunikation. Und auch hier zählen Haltung und Transparenz. Die Zeit der selektiven Hervorhebung einzelner Pilotprojekte als Gesamtstrategie ist vorbei, denn eine Aufgabe der Wirtschaftsprüfer besteht darin, Kommunikation und Reporting kritisch abzugleichen.
Nachhaltigkeitsreporting wird oft nur als Pflicht betrachtet. Welche Chancen bietet es für Unternehmen?
Marion: Unternehmen, die sich ihrer Nachhaltigkeitsrisiken bewusst sind und diese aktiv managen, sind zukunfts- und krisensicherer. Ein Unternehmen, das bereits vor der Ukrainekrise auf Energie aus erneuerbaren Quellen umgestellt hatte, war nicht von der Preisexplosion beim Erdgas betroffen. Ein Unternehmen, das sich frühzeitig mit New Work und Flexibilisierung befasst hat, war in der Pandemie viel schneller in der Lage, seinen Mitarbeitenden Homeoffice anzubieten. Und günstigere Kapitalkosten und Versicherungsprämien für nachhaltigere Unternehmen sollten auch ein attraktiver Anreiz sein.
Marion Sollbach ist eine Expertin im Bereich Nachhaltigkeit mit über 20 Jahren Berufserfahrung. Sie hat Biologie studiert und sich anschließend auf Umweltmanagement spezialisiert. Sie war unter anderem bei der Metro AG tätig, zuletzt als Leiterin des Bereichs Umweltmanagement. Nach Stationen bei Kaufhof und einer Kandidatur für den Deutschen Bundestag arbeitet sie seit 2024 als selbstständige Beraterin für Nachhaltigkeitsthemen. Ihre Expertise umfasst insbesondere die Nachhaltigkeitsberichterstattung und die Umsetzung von CSR-Strategien in Unternehmen. (LinkedIn)