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Geiler Content und der Rabe

Nun hat Mael Roth in dieser Blogparade also einen Beitrag zu meinem Beitrag geschrieben, der als Antwort auf seinen Beitrag gemeint war. Das ist sehr schön, ich mag feuilletonistisches Aufeinandereinschlagen, wenn es einen halbwegs konstruktiven Zweck verfolgt.

Womit wir auch schon mitten in meiner erneuten Replik wären, in der ich mich wieder auf zwei Aussagen bei Mael konzentrieren möchte, die ich für bezweifelnswert halte.

1) ROI ist kein guter Ratgeber

Mael schreibt am Ende seines Posts das folgende:

"Ich bin der persönlichen Ansicht, dass ROI die Erstellung von nützlichen Inhalten nicht lenken sollte."

Warum denn? Wovor hat er Angst? Dass die Absicht das Ergebnis beeinflusst? Muss und soll sie doch, sonst könnten wir uns das ganze Funnel-Persona-Gedöns sparen. Ihn scheint - wie viele Werber und Designer - diese ur-romantische Angst zu treiben, dass eine klar funktional definierte Absicht. die nicht allein Herzblut und Empathie zu verdanken ist, die Integrität und damit die Qualität des Werkes negativ beeinflussen könnte.

Ur-romantisch bezieht sich hier übrigens nicht auf den emotionalen Zustand sondern auf den literarischen Epochenbegriff zur Beschreibung einer Zeit, der wir den Geniekult zu verdanken haben und die Vorstellung, dass literarisches Schaffen keine Arbeit ist sondern eine vom Universum verliehene Gabe. Diese Ansicht ist allerdings zeit- und kulturbedingt uns außerdem falsch. Einige der besten Werke der Weltliteratur sind konstruiert und auf einen Effekt hin optimiert entstanden.

Ein gutes Beispiel für ein solches Vorgehen liefert Edgar Allan Poe, der mit dem "Raben" ("The Raven") nicht nur ein großartiges Gedicht geschrieben sondern vor noch nicht allzu langer Zeit sogar einen ganz anständigen und monetär zumindest halbwegs erfolgreichen Film inspiriert hat.

Poe war so freundlich, seinem Gedicht etwas später einen Text "beizulegen" in dem er erklärt, wie es entstanden ist. Das wesentliche zu "The Raven" daraus ist:

"Meine Absicht ist, deutlich zu machen, daß sich kein einziger Punkt in seiner (The Raven's) Komposition auf Zufall oder Intuition zurückführen läßt: daß das Werk Schritt um Schritt mit der Präzision und strengen Folgerichtigkeit eines mathematischen Problems seiner Vollendung entgegenging."

Ich persönlich finde den Begriff "mathematisch" hier etwas übertrieben gewählt, auch wenn es sich natürlich schon für die ROI Dokumentation ausnutzen ließe, aber auch so wird hoffentlich deutlich, daß Poe nicht nur ein ziemlich guter Schriftsteller sondern auch ein erstklassiger, nennen wir es mal: Verbal-Stratege war. Durch seine herangehensweise sind Zeilen entstanden wie:

"And the raven, never flitting, still is sitting, still is sitting
On the pallid bust of Pallas just above my chamber door;
And his eyes have all the seeming of a demon's that is dreaming,
And the lamp-light o'er him streaming throws his shadow on the floor;
And my soul from out that shadow that lies floating on the floor
Shall be lifted - nevermore!"

Wie viele Berufsschriftsteller des 19. Jahrhunderts (Dickens, Sue) war Poe zudem darauf angewiesen, dass sich sein Stoff verkaufte, gerade als Redakteur des "neuen Mediums" Tageszeitung, von denen er einigen damit ganz ordentliche Auflagensteigerungen bescherte. Der beabsichtigte Effekt seiner Arbeit war also bei weitem nicht nur literarischer sondern auch ökonomischer Natur: sein Einkommen und das seiner Auftraggeber hing davon ab und insbesondere letztere waren auf einen ordentlichen ROI angewiesen.

Was ich mit der ganzen Literaturwissenschaft sagen will, ist: Ein klar definierter materieller Zweck kann durchaus ein guter Ratgeber bei der Erstellung von Texten sein und gleichzeitig hervorragende Arbeiten inspirieren, sprich: geilen Content hervorbringen.

2) Man kann den ROI nicht messen

Zum Abschluss jetzt noch einmal das Thema ROI im Detail. Ich beziehe mich auf das folgende Zitat:

"Im Inbound Marketing kann ich messen, welche Maßnahmen dazu führen, den Besucher zum Lead und zum Kunden zu machen, also step-by-step. Aber vieles kann man einfach nicht messen."

Aber, aber ... hä? Aus meiner Sicht mach die beiden Sätze zusammen keinen Sinn. Natürlich kann ich nicht alles messen. Aber gleichzeitig kann ich durch eine klare Ab- und Eingrenzung sehr wohl messen, wer meinen Text gelesen, wer den CTA geklickt, wer auf der Landing Page gelandet ist, mein Formular ausgefüllt hat, beim Sales aufgeschlagen ist - und was die diesem Kunden dann in einem bestimmten Zeitraum verkauft haben. Wenn ich dann noch weiß, was mein Text, meine Infrastruktur und mein Sales-Prozess gekostet haben, ist ein ROI als "Gewinn im Verhältnis zum eingesetzten Kapital" für diese Aktion sehr einfach messbar.

Aber vielleicht liegt hier auch das große Missverständnis. Für mich ist der ROI einer Content-Marketing Aktion eine kleine, feine Zahl, die mir sagt, ob eine spezielle Kampagne erfolgreich war und was sie mir gebracht hat. Vergleiche ich unterschiedliche Kampagnen und ihren ROI kann ich lernen. Lernen, was geht, lernen, was nicht geht, was gute Taktiken sind, was weniger gute, was schlechte. Dieser Lernprozess wird im digitalen Inbound-Marketing so einfach wie niemals zuvor, eben durch die User-Identifikation und durch messbare Klickpfade. Die Geschlossenheit dieses Systems ist doch das großartige daran. Deshalb nutze ich solche Tools wie Hubspot - ich habe für mich und meine Kunden mehr Kontrolle und Sicherheit als jemals zuvor. Ich weiss von vielen Kunden nicht, wie sie zu mir gekommen sind - aber ich weiss, welche durch's Inbound-Marketing kamen. Und aus deren Umsätzen denen berechne ich den ROI meiner Maßnahmen. Wenn sie sich auf dieser Basis nicht nach einem gewissen Zeitraum (sicher nicht nach der ersten Aktion) tragen, wird das Konzept geändert oder die Kampagne beendet. Ich kann keinen Marketing-ROI berechnen - einen Inbound-Marketing-ROI aber ganz sicher.

Als Fazit dieser Replik auf eine Replik bleibt mir deshalb nur, die folgenden wundervollen Zeilen Poes zu zitieren:

Poe würde sich im Grabe rumdrehen ;)"Deep into that darkness peering, long I stood there wondering, fearing,
Doubting, dreaming dreams no mortal ever dared to dream before:
ROI and content end their war."